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Tag der Befreiung? Das Kriegsende in Ostdeutschland – Im Gespräch mit Dr. Hubertus Knabe

Am Dienstag, dem 29. April 2025, fand im Rahmen der Veranstaltungsreihe Schule im Dialog ein Vortrag des Historikers und Publizisten Dr. Hubertus Knabe in der Aula statt. Unter dem Titel „Tag der Befreiung?“ widmete sich der renommierte DDR-Forscher der Frage, wie Ostdeutschland das Ende des Zweiten Weltkriegs in Ostdeutschland erlebte – insbesondere im Hinblick auf die Rolle der Roten Armee.

Kaum hatten Dr. Knabe und Herr Heine (KAS) die Aula betreten, ging der Gast schnurstracks zum Flügel, nahm Platz und spielte – zur Überraschung und Freude aller Gäste. Nach dem Bach-Stück, mit dem Elias Yang die Gäste begrüßte, hießen er und Nico Schütze aus der Klassenstufe 11 das Publikum willkommen, darunter etwa Frau Dr. Bianca Dommes (Leiterin des Kulturamts), Herr Dr. Marcus von Salisch (Leiter des Landesamts für Schule und Bildung) sowie Herr Rainer Eichhorn (Oberbürgermeister a. D.).

Im Anschluss stellten die beiden Moderatoren Dr. Knabe mit einem biografischen Überblick vor: Seine Eltern flohen aus der DDR, er wurde in Westdeutschland geboren und engagierte sich schon in jungen Jahren für ostdeutsche Regimekritiker und DDR-Oppositionelle. Als Historiker forschte er intensiv zu den Strukturen des Ministeriums für Staatssicherheit und leitete von 2000 bis 2018 die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, das ehemalige zentrale MfS-Gefängnis. Für seine Verdienste erhielt er unter anderem das Bundesverdienstkreuz am Bande.

Nach dieser Einführung leitete Dr. Knabe seinen Vortrag mit der Frage ein, ob jemand im Saal wisse, wo Ostpreußen liege – ein Einstieg, der seine spätere Kritik am mangelhaften historischen Bewusstsein in Deutschland unterstrich. Von dort spannte er den Bogen zu seinem zentralen Anliegen: Der Einmarsch der Roten Armee in Ostdeutschland sei von vielen Betroffenen nicht als Befreiung, sondern als Beginn erneuter Unterdrückung erlebt worden. Ein Teil des Vortrags basierte auf persönlichen Erzählungen und Zeitzeugenberichten – darunter die Schilderung der Flucht seiner Mutter aus Ostpreußen per Pferdewagen. Dr. Knabe zitierte aus sowjetischen Quellen, welche die Zerstörung Deutschlands als „Rache“ rechtfertigen. Die Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung, insbesondere Massenvergewaltigungen, Misshandlungen und Plünderungen, schilderte er anhand dokumentierter Aussagen von Rotarmisten. Eine bedrückende Passage war die Beschreibung vergewaltigter Frauen und von massiv terrorisierten Dörfern – Gewaltakte, die weder bestraft noch aufgearbeitet wurden. Knabe erläuterte, dass die sowjetischen Besatzungsbehörden in den folgenden Monaten und Jahren Massenverhaftungen durchführten, insbesondere von Männern im wehrfähigen Alter, aber auch von Frauen und Jugendlichen. Rund 279.000 Menschen wurden deportiert, viele in sibirische Arbeitslager. Auch ehemalige NS-Häftlinge in Lagern wie Sachsenhausen oder Bautzen fanden sich, als politische Gegner der neuen Machthaber eingeordnet, wieder interniert – unter katastrophalen Bedingungen, die in den Sonderlagern der Sowjetischen Besatzungszone zu zahllosen Todesfällen führten. Die fehlende juristische Aufarbeitung kritisierte Knabe deutlich: Von den Verantwortlichen sei nahezu niemand zur Rechenschaft gezogen worden.

Ein weiterer Schwerpunkt des Vortrags war der Vergleich der Aufarbeitung historischer Gewaltverbrechen in Deutschland und in Russland. Während es in der Bundeswehr heute eine klare Distanzierung zur Wehrmachtsvergangenheit gebe, fehle in Russland jede Form öffentlicher Kritik an den Kriegsverbrechen der Roten Armee. Die sowjetischen Soldaten gelten dort bis heute ausschließlich als Helden. Eine Veröffentlichung seines Buchs in russischer Sprache sei geplant – auch deshalb, weil viele seiner russischen Bekannten über die hier dokumentierten Verbrechen nichts wüssten.

In der anschließenden Fragerunde, moderiert von Elias Yang und Nico Schütze, wurde unter anderem diskutiert, warum in Russland keine kritische Aufarbeitung der Geschichte stattfinde, wie der Begriff „Faschismus“ politisch instrumentalisiert werde und warum die AfD in Ostdeutschland in der Gegenwart so viel Zuspruch erhalte. Knabe plädierte dafür, mit Begriffen wie „(Anti-)Faschismus“ und „Nazis“ nicht leichtfertig umzugehen, sondern sie historisch korrekt und differenziert zu verwenden. Auch wurde die Frage nach der Rolle der anderen Alliierten gestellt: Während es auch bei französischen und US-amerikanischen Truppen Übergriffe gab, habe es, so Knabe, nur im Einflussbereich der Roten Armee systematische Gewalt in einem derart massiven Ausmaß gegeben.

Der Vortrag von Dr. Knabe bot eine kritische und historisch fundierte Perspektive auf ein Kapitel der Geschichte, das bis heute in vielen Diskussionen ausgeklammert wird. Die These, dass das Kriegsende in Ostdeutschland für viele Menschen nicht mit Freiheit, sondern mit neuer Gewalt, politischer Verfolgung und Angst verbunden war, regte das Publikum zum Nachdenken und zur Auseinandersetzung mit Erinnerungskultur und Geschichtspolitik an.

Johanna Kolbe/Thula Einenkel

Gefördert von der Konrad-Adenauer-Stiftung/Politisches Bildungsforum Sachsen.

Fotos: D. Seichter

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